Kultivierter Bretterstapel

Die Stiftung Buechweid betreut Kinder und Jugendliche mit sozialen Auffälligkeiten und besonderem Förderungsbedarf. Der Campus mit Internat, Schulgebäude, Personalhäuser, Hallenbad, Werkstätten, Stallungen und einer Gärtnerei liegt eingebettet in den lieblichen Hügeln des Zürcher Oberlands an der Verbindungsstrasse zwischen Fehraltorf und Russikon. 290’000 Liter Heizöl verschlangen jährlich die Infrastrukturen. Ein wirtschaftliches und ökologisches Heizsystem sollte gefunden und harmonisch in die bestehenden Strukturen des Campus integriert werden. Eine überdurchschnittliche Gestaltungsqualität war der Stiftung wichtig, darum führte sie einen kleinen Studienauftrag durch.

Die Kündig Architekten SIA AG verstand es aus der Not eine Tugend zu machen und nutzte die technischen Notwendigkeiten der Wärmeerzeugungsanlage zu ihren Gunsten. So stellten die Architekten das industrielle Gebäude an eine ungewohnt prominente Lage, direkt an die Hauptstrasse. Dies erleichtert die Anlieferung der Holzschnitzel und macht zugleich die Heizzentrale zum Eingangstor des Areals. Um das gewaltige Raumvolumen verträglich in das Terrain zu setzen, wurden zwei Drittel davon ins Terrain eingegraben. Das hohe, schräg angeschnittene Abgaskamin rückt schon von Weitem ins Blickfeld, akzentuiert die Einfahrt und weist dem Besucher den Weg.

Die feinfühlige Gestaltung, mit erdigen Farben, rauen, unbehandelten Oberflächen und einer klaren, gar plakativen Formensprache bildet einen würdigen Empfang. An der südlichen Gebäudeecke entwickelt sich das Kamin aus dem Betonsockel heraus und türmt sich wie der Glockenturm einer Kapelle gegen den Himmel. Auf Distanz wirkt der Sichtbeton erdig und lehmig. Tritt man näher, erkennt man die typischen Strukturen, der in die Schalung eingelegten, industriellen Grobspanplatten; der Bau gleicht auf einmal einem temporären Holzbau, akzentuiert durch die verzinkten Wellblechdächer von Heizzentrale und Containerhaus. Doch damit nicht genug: Die scheinbar auf dem Sockel aufgeschichteten sägerohen Fichtenbretter der Fassade spinnen die Sinnestäuschung weiter und evozieren das Bild von Bretterstapeln einer Sägerei. Wer genau hinschaut, erkennt gar den ganzen Baumstamm. Untermalen wird zudem die Maskerade durch den prägnanten Duft von Harz und geschnittenem Holz, welcher aus dem Schnitzelsilo emporsteigt. Mit diesem spielerischen Ansatz haben die Architekten ein symbolkräftiges Industriegebäude geschaffen, welches nicht nur die Bewohner anspricht sondern auch zur Umgebung des Schulareals passt.

Die aufwendig gestaltete Fassade umhüllt eine zweigeschossige Halle von elf auf zwölf Metern, die Platz für die beiden Vorschubkessel mit einer Heizleistung von insgesamt 630 Kilowatt und den beiden Speichern schafft. Kippsattelzüge entladen vom Umschlagplatz aus die Holzschnitzel in das tiefer gelegene und direkt mit den Brennern verbundene Silo, dessen Dach sich einfach nach oben falten lässt. Die Maschinenhalle wird über eine «Kommandobrücke» betreten, auf welcher sich die Steuerungselemente und Schaltschränke befinden. Von hier aus hat der technische Dienst den besten Überblick.

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Bauherrschaft: Stiftung Buechweid, 8332 Russikon

Ausführung: 2017 - 2018